Mein Horst[1] und ich
Wie der kleine Mann[2] in meinem Kopf vom Feind zum Freund wurde.
Ich hab lange überlegt, ob ich den Namen „Horst“ behalte. Oder ihn umbenenne. Meine letzte Erfahrung mit einem Namensträger war jetzt nicht so dolle.
Es war einer meiner letzten Arbeitgeber der Festanstellung, namens Horst, und er kündigte mir während ich nach einem Unfall krank geschrieben war einfach und ohne Vorwarnung. Weil er seine Firma vor der selbstverschuldeten Insolvenz retten und abstoßen wollte, was ihn kostet und wofür er keinen Nutzen sah. Also u.a. mich und meine Kolleginnen.
So ohne Vorwarnung war nun wirklich doof, nicht geplant, nicht vorhergesehen und zeitlich alles andere als passend. Aber gut, dachte ich mir, dann switche ich die selbständige Nebentätigkeit zum Hauptberuf und mache, was mein Bauch mir die ganze Zeit sagt:
ich mach mich zu 100% selbständig. Zack! getan. – und ZACK!! eine Woche später war der Corona-Lockdown da. Kippte sich in unser aller Leben und stülpte sich ungefragt und ungewollt über uns. Damit war alles hinfällig, was ich in 2020 endlich richtig und vollumfänglich angreifen und durchziehen wollte. Es fühlte sich an, als sei ich mit Anlauf und voller Geschwindigkeit gegen einen Betonpfeiler gekracht: erst war das Adrenalin noch hoch genug, um mich zuversichtlich weitermachen und planen zu lassen. Und dann fiel ich in ein Loch. Ein tiefes und schwarzes und großes. Groß genug, dass ich vollständig reinpasste. Nur der obere Teil meines Kopfes schaute noch raus.
Mein innerer Horst hatte in dieser Zeit wieder ziemlich Aufwind. Nicht so viel, wie noch vor ein paar Jahren, als ich ihm täglich mehrfach auf den Leim ging. Aber zumindest ausreichend, dass es dauerte, bis ich mich berappelte, in meinem Loch aufrecht hinstellte, um festzustellen, hoppla, das reicht mir ja nur bis zu den Knien, da kann ich einfach so raussteigen.
Ich nahm Horst von meinem Kopf, auf dem er bis dahin mal feixend, mal sarkastisch, mal scheinbar besorgt gesessen hatte. Stieg aus dem Loch und machte mich ans Werk.
Spulen wir ein paar Jahr(zehnt)e zurück. - Horst war schon immer da. Nein, stimmt nicht ganz. Als kleine Kinder haben wir keinen Horst. Der kommt erst mit der Pubertät. Und dann nistet er sich ein. Und bleibt. Erst ist es nur ein Gefühl. Es dauert, bis er Gestalt annimmt und vielleicht sogar einen Namen bekommt. Müsste ich zu erkennungsdienstlichen Zwecken einem Zeichner eine Personenbeschreibung geben, kein Problem. Ich weiß genau wie er aussieht. Das Ding ist, er sieht aus wie ein ehemaliger Arbeitskollege bei einem meiner allerallerersten Jobs. Einen halben Kopf kleiner als ich (was bei 1,65cm meinerseits schon eine Leistung ist), Halbglatze. Aber jetzt kommts: dieser Kollege war einfach nur toll. Rückblickend war er einer der wenigen Menschen, die sich in meinem Angestellten-Berufsleben jemals wirklich die Zeit genommen haben, mich ordentlich einzuarbeiten. Er war NIE ungeduldig oder genervt, wenn ich als Berufsanfängerin mit 0 Erfahrung ganz sicher die eine oder andere Frage zu viel gestellt habe. Keine Ahnung also, wieso mein Horst aussieht wie er. (Noch dazu hieß er Hermann. Falls ich es noch nicht getan habe: Danke, Herr Stapfel[3], für alles! Es kommt spät, aber von Herzen.)
Und warum sieht mein Horst dann aus wie er? Nun, vielleicht erschließt sich das, seit ich meine Sichtweise geändert habe. Und das kam so:
Irgendwann kam ich mit meinem Mindset nicht mehr weiter. Quengel hier, quengel da. Ich war permanent in der Opferrolle, wie ich jetzt, rückblickend, weiß. Es fühlte sich an, als sei die Lösung in mir, nur konnte ich sie nicht sehen. Der beste Ehemann der Welt hatte die Idee, dass ich es mal mit einem Coaching versuchen solle. Zur inneren Sortierung.
Nachdem er diesen Vorschlag über einen längeren Zeitraum immer wieder mal vorsichtig angebracht hat, habe ich es gemacht.
Und siehe da! Was soll ich sagen – es hat mein Leben verändert.
Nicht nur habe ich eine andere Sicht auf Begriffe wie „Wahrheit“, „Wirklichkeit“, „gut und schlecht“ und noch so manches andere bekommen. Ich konnte auch endlich die Toleranz, die ich anderen gegenüber habe auf mich selbst anwenden. Und zulassen, dass das Leben IMMER additiv ist; auch für mich.
Was meine ich damit?
Ein Beispiel: Ich kann etwas ganz doof finden und es akzeptieren.
Oder: Jemand hat zu einem Thema eine Meinung, die komplett konträr zu meiner ist, und ich kann sie stehen lassen und mit der Person trotzdem befreundet sein.
Einen hab ich noch: Ich kann akzeptieren, dass ich nicht die zu 100% super tolle politisch korrekte, unfehlbare Person bin, die ich gern wäre, und dass ich auch Fehler jeglicher Schwere gemacht habe und ganz sicher auch weiterhin machen werde.
Und wo bleibt jetzt die Verbindung zu Horst? Moment, ich komme da gleich wieder hin.
Ich war der Ansicht, dass ich meinen Horst aus meinem Leben entfernen muss. Unzählige mentale Versuche, in denen ich visualisiert habe, wie ich ihn an einer bestimmten Kreuzung auf einer einsamen Landstraße aussetze, und er mit 2 Koffern traurig da steht, ich munter winkend weiterfahre und wir uns nie nie nie wieder sehen……. Er kam natürlich immer wieder. Manchmal hat es etwas gedauert. Am Ende saß er wieder auf dem Sofa.
Bis mir dann irgendwann ein Licht aufging.
Das ist verdammt nochmal sein Job!
Sein Job ist es, auf mich aufzupassen.
Sein Job ist, mir Dinge zu erklären.
Mich hinzuweisen auf etwas, was eventuell nicht optimal ist.
Es war die Erleichterung des Jahrhunderts. In mir löste sich eine so gewaltige Anspannung, als hätte ein Gletscher gekalbt.
Jetzt, Jahre später, ist Horst kein Fremdkörper mehr. Kein Störenfried. Er ist ein Teil von mir. So sehr, dass ich ihn kaum noch wahrnehme. Er ist immer da, um mich vor Blödsinn zu bewahren. Oder nach getanem Blödsinn zu fragen: „Merkste selbst, oder?“
Keep calm and Horst-on!
Happy Day
Ihre Susanne Mays
April 2023
[1] Ich entschuldige mich an dieser Stelle bei allen, die Horst heißen. Es geht nicht gegen euch. Ich kann leider nichts dafür, dass er nun mal so heißt.
[2] Und ja, mein innerer Schweinehund ist männlich. Da kann ich auch nix für. Das hab ich mir nicht ausgesucht.
[3] Name von der Redaktion nur geringfügig geändert. Er hätte locker den vollen Namen mit allen den Datenschutz alarmierenden Infos verdient, denn er war toll. Ja, war. Leider.
Declutter - 5 Tipps für den Start
Neue Wohnung, alternativ neues Haus.....Die besten Vorsätze.....Alles hat seinen Platz....Sie fühlen sich wohl.
Unmerklich beginnt es....
Sie legen irgendetwas irgendwo irgendwann ab....
Und da bleibt es...Und vermehrt sich....
Anderes legt sich drüber, sickert herum, mäandert durch die Wohnung.
Und dann kommt der Tag, an dem Sie feststellen, "ich erkenne die Farbe der Schreibtischplatte nicht mehr!" "Wieso stapelt sich die Bügelwäsche bereits über Kopfhöhe?" "Der Ablagekasten hat bereits mehrere Geschwister bekommen und ist insgesamt gerechnet höher als mein kompletter Arm in der Länge mißt!" "Wo finde ich die Unterlagen, die mein Steuerberater seit 2 Wochen dringend anmahnt?!" "Ich weiß genau, dass hier irgendwo die Geburtsurkunde der Kinder sein muss....nur wo unter all dem Kram genau?" "Mein Lieblingsshirt müsste hier sein, ist es aber nicht..." "Wenn ich diese Tür öffne, fällt mir alles entgegen.."
Erkennen Sie sich wieder? Bzw., das Problem?
Ordnung halten und dies auf den sozialen Medien zu präsentieren ist schwer en vogue. Fotos von perfektestens gestylten und aufgeräumten Wohnungen - vorzugsweise Küchen und Wohnzimmer - tummeln sich da zu mehrfach-Tausenden. Alle, die keine Zeit haben, ihren normalen Alltag zu wuppen und dabei noch strahlend lächelnd täglich Fotos vom schicken perfekten Zuhause zu präsentieren, fühlen sich über kurz oder lang unzulänglich, frustriert, belastet.
Wie kommt es, dass der Drang zur Ordnung so groß ist, dass Interieur-Influencer eine eigene Berufssparte geworden ist, die weiterhin boomt?
Die Zeiten waren - wenn man zurück blickt - schon immer unruhig. Dennoch waren die letzten Jahrzehnte bis zur Pandemie von relativer Sorglosigkeit, Konsumverhalten und Fülle geprägt.
Seit 2020 hat sich das geändert. Immer neue große belastende Ereignisse im direkten Umfeld und der Welt verunsichern uns zunehmend. Und so möchte man zumindest im eigenen Zuhause Sicherheit haben. Bzw. dem Konsumverhalten mit Minimalismus entgegenwirken. Nur noch anschaffen und behalten, was ökologisch vertretbar ist.
Dass ein Umdenken eingesetzt hat, ist gut und löblich und dringend nötig.
Doch wie kommt man von der Theorie in die Praxis? Wie kann man seine Vorhaben umsetzen und vor allem beibehalten, wenn die Anfangseuphorie nachlässt?
Mehr und mehr Ordnungs-Coaches folgen den Vorbildern aus TV und Streaming-Plattformen. Mari Kondo und andere erobern unsere Wohnzimmer und zeigen uns, wie man Wäschestücke so faltet, dass man sie stehend lagern kann. Oder wie man behält was glücklich macht während anderes abgegeben wird, dass die Nachkommen sich nicht mit dem Entmüllen belasten müssen (sog. schwedisches Death-Cleaning).
Hier meine Top 5 für einen Weg, mit dem auch Sie es vom Horthörnchen zum/zur Loslasser*in werden:
1. Überfordern Sie sich nicht.
Starten Sie klein und sehen Sie, was es mit Ihnen macht. Also nicht die komplette Wohnung organisieren wollen. Nehmen Sie sich ein Zimmer / eine Zimmerecke / einen Schrank / ein Regal / eine Schublade etc. vor.
2. Alles raus!
Erstmal alles raus räumen. Schublade, Regal, Schrank sauber machen.
Legen Sie sich 3 Kartons oder Schachteln bereit und beschriften sie mit: "Behalten" "Weggeben" "Wegwerfen".
3. Mag ich dich noch?
Nehmen Sie ausnahmslos jedes Teil in die Hand (Sie verstehen jetzt wieso ich zu Punkt 1 geraten habe?) und sortieren es in eine der drei Kategorien unter Punkt 2.
4. Loslassen!
Wenn alles zugeordnet ist, sofort weg mit allem was weg soll. Nicht in der Wohnung stehen lassen.
Alles was bleiben darf, wieder einsortieren. Und zwar - das ist jetzt wichtig! - an einem eigens dafür vorgesehenen Platz! Denn alles was seinen festen Platz hat, wird dahin aufgeräumt. Das passiert fast automatisch. Alles was keinen Platz hat, kommt irgendwo hin und damit beginnt die Unordnung.
Also, ein Platz für alles, alles an seinen Platz. Dann klappt es!
5. Repeat
Nahezu alles vertieft sich durch stetiges Üben und Wiederholen. Auch das Loslassen von ehemals geliebten Dingen. Einmalige Aktionen erschöpfen nur und haben langfristig keinen Effekt. Je nach verfügbarer Zeit kann man sich wöchentlich oder monatlich ein Zeitfenster blocken und mit der nächsten Ecke weiter machen. Familien können das als konzertierte Aktion Qualitytime-mäßig gemeinsam machen. Und sich dann
6. Belohnen
Mit einem guten Gefühl. Mit einer Tasse Kaffee. Etwas Schönem zu Essen. Zeit miteinander. Ganz entspannt.
Happy Declutter!
Ihre Susanne Mays
Februar 2023
Die guten Vorsätze oder Alle Jahre wieder
Und? Wie stehts um die Vorsätze fürs neue Jahr? Haben Sie welche gefasst? Oder die gefassten schon verworfen?
Wie auch immer die Antwort ausfällt: Sie sind in guter Gesellschaft und auf keinen Fall allein. Die Klassiker unter den Vorsätzen sind[1] – das dürfte niemanden wirklich überraschen: Gesündere Ernährung (49%), mehr Sport treiben (48%), mehr Sparen (46%), mehr Zeit mit Familie und Freunden verbringen (43%), Abnehmen (36%), mehr für die Umwelt tun (24%), mit dem Rauchen aufhören (20%), weniger Zeit auf Social Media Accounts verbringen (18%). Und so einige andere mehr.
Erkennen Sie sich da wieder? Also ich mich schon. Bei mir lägen auf den vorderen Plätzen der Punkt Social Media – hier allerdings das Gegenteil, nämlich weniger daddeln, stattdessen meine Accounts regelmäßig mit Content füllen – und allen voran: mir Auszeiten gönnen, die ich sinnvoll zum rechtzeitigen Auftanken meiner Akkus nutze. Um nicht wie dieses Jahr nach zwei Jahren gefühlt pausenlosen Arbeitens meinen Weihnachtsurlaub körperlich und mental völlig apathisch auf dem Sofa zu verbringen und dabei recht grottig gestimmt zu sein. Ergo: mehr Meditieren, mehr Zeit in der Natur verbringen -- was für mich als eingefleischte Drinni eeetwas knifflig werden könnte. Aber mal sehen...
Bei ca. 36% der Menschen halten die Vorsätze – Achtung, jetzt kommts! – zwischen einem Tag bis zu einem Monat. Ein Tag? Das haut mich um. Letztlich aber erstaunt es nicht. Wer hat nicht schon nach einem schwungvollen und feuchtfröhlichen Tschüss-altes-Jahr-Hallo-neues-Jahr nach dem Aufwachen gemeinsam mit dem körpereigenen Restalkohol vor der ersten Tasse Kaffee des neuen Jahres sitzend gestöhnt „Ich trinke nie wieder Alkohol!“, um dies im Laufe des Tages zu relativieren „Na gut, einen Monat lang nicht.“….. Oder in der Euphorie eines Jahreswechsels beschlossen, ab sofort jeden Tag eine Stunde lang zu sporteln, die Familie öfter zu besuchen, nur noch regional-saisonal zu kochen, einen Suppentag pro Woche einzulegen, sich ehrenamtlich zu betätigen.
Was ich damit sagen will: so klappt es nicht mit den Vorsätzen. Wieso nicht? Weil Veränderung so nicht funktioniert und auch nicht funktionieren kann. James Clear gibt in seinem erhellenden Buch „Die 1%-Methode“[2] eine Erklärung.
Zusammengefasst: Wenn ich weiß wie ich leben will, gelingt der Wandel. Und, das Ziel ist nur so gut wie das System kleiner kontinuierlicher Veränderungen dorthin.
Beispiel: könnten Sie aus dem Stand, ohne Training von jetzt auf gleich einen Marathon laufen? Also ich könnte es nicht. Oder: Sie stürmen beim nächsten Konzert Ihrer Lieblingsband die Bühne, schnappen sich die Gitarre von Ed Sheeran und legen ohne vorher jemals eine Note gelesen oder ein Instrument in der Hand gehabt zu haben los und legen das weltbeste Gitarrensolo ever hin? Moment, ein Beispiel hab ich noch: Sie hassen jegliche Art von Brettspiel, Schach ist Ihnen ein Buch mit mehr als sieben Siegeln. Dennoch fordern Sie den aktuellen Schach-Großmeister zur Partie seines Lebens heraus und gewinnen haushoch?
Seien wir ehrlich: sowas klappt maximal in Hollywoodfilmen. Sie und ich werden das tun müssen, was jeder Normalsterbliche tun muss: Üben. Dranbleiben.
Wir müssen jedoch nicht unbedingt auf besondere Fähig- und Fertigkeiten schauen. Nehmen wir einfach nur den Haushalt. Es sieht aus wie S**, Sie bekommen den neujährlichen / monatlichen / wöchentlichen Rappel und räumen in einer mehrstündigen Aktion alles auf. Wienern die Böden, bearbeiten die Teppiche mit der Handbürste, polieren die Armaturen auf vorgebrauchlichen Hochglanz, säubern die Fenster so, dass dagegenfliegende Drosophilae[3] das Glas nicht sehen und sich das Genick brechen etc. etc..
Am Ende des Tages sind Sie zurecht stolz auf sich, werfen sich in Ihren imaginären Superwoman[4] oder Superman Umhang und herrschen jeden Mitbewohner an, ja nicht gegen die streifenfreien Zimmertüren zu atmen, die Nachbarn um einen Toilettengang anzuflehen, weil es jetzt möglichst lange so schön bleiben soll.
Und dann? Dann läuft das Leben einfach weiter. Die ersten Brösel bleiben auf der Arbeitsfläche liegen. ‚Hey, kein Ding, mache ich später weg‘. Aus später wird irgendwann. Zu den Bröseln gesellen sich im Lauf der Tage Brötchentüten, Pizzakartons; Socken liegen neben dem Wäschekorb; das Bett bleibt ungemacht; Kalkflecken geben sich auf dem Wasserhahn zusammen mit Bartstoppeln ein Stelldichein, Sie ertappen sich bei der 5. Zigarette des Tages ---- ich könnte ewig so weiter machen. Aber ich denke, Sie verstehen, worauf ich hinaus will. Einmalige Aktionen nützen auf Dauer nichts. Auch das sich Vornehmen, ab jetzt dies oder das in den Alltag permanent und fest und in Zement gegossen einzubauen bringen langfristig kaum bis wenig Erfolg. Wir sind einfach nicht so gestrickt. Punkt. Sexyness und Belohnungssystem – anderes Thema.
Und jetzt? Wie wäre es hiermit? Verändern wir doch mal den Ansatz und den Blickwinkel.
Statt „Ich muss/will/soll unbedingt….10 Kilo abnehmen/……ordentlicher werden/…..ein Talent haben/….aufhören zu Rauchen/….. !“ fragen wir uns: Wie möchte ich leben? Wie möchte ich sein? Welcher Mensch möchte ich sein? Welche Werte sind mir wichtig?
Wenn ich ein Mensch bin, der gesund und fit ist, dann verzichte ich in den meisten Fällen auf Fastfood, Softdrinks und das x-te Glas Alkohol und bewege mich sportlich. Wenn ich ein Mensch bin, dem Tierwohl am Herzen liegt, überlege ich, dass ich dies durch eine vegetarische oder gar vegane Ernährung unterstütze. Wenn ich in meiner Vorstellung ein Mensch bin, der in einem sauberen und aufgeräumten Zuhause lebt, räume ich künftig immer nach Gebrauch meine Kaffeetasse direkt in die Spülmaschine. Wenn ich gern mit einer Freundin Schach spielen möchte, mache ich mich mit den Regeln des Spiels vertraut und übe. Wenn ich ein Mensch bin, der ein Klavierstück von Mozart fehlerfrei spielen möchte, besorge ich mir die Noten und spiele regelmäßig 10 Minuten. Wenn ich ein Mensch bin, der fit ist, gehe ich jeden Tag aus dem Haus und völlig anspruchsfrei in einer Geschwindigkeit und Dauer meiner Wahl spazieren.
Sie erkennen das Muster?
1. Welcher Mensch möchte ich sein?
2. Wie komme ich dahin?
‚Jaaahaa‘, werden Sie einwenden. ‚Das ist alles schön und gut. Es geht nicht darum, etwas zu beginnen. Ideen und Wünsche habe ich viele. Das Durchhalten ist das Problem.‘
Ich gebe Ihnen hier absolut recht. Lassen Sie mich mit einem mittlerweile sicher etwas breitgetretenen Beispiel antworten, dem Krabbelkind. Sie ahnen was jetzt kommt. Das Krabbelkind wird früher oder später aufstehen und die ersten Schritte machen. Auf einen folgt der nächste und dann noch einer und so weiter.
Es geht nicht darum, in einer einmaligen Aktion von Null auf 100% zu kommen. Jeden Tag 1% ist besser als nichts. Jeden Tag 1% von einer Handlung sind im Jahr eine Verbesserung von knapp 37%!
37% besser Mozart spielen können ist gewaltig im Vergleich zu 0% Mozart spielen können.
37% mehr Zeit im Freien verbringen ist besser als 100% Drinni zu sein.
37% öfter zum Sport zu gehen ist besser als kein Sport.
Auch wenn die Welt um uns immer schneller wird, und Medien uns weismachen möchten, dass schneller besser ist, so sind unser Körper und vor allem unser Geist immer noch in der Steinzeit und nicht dafür gemacht. Wäre es so, könnten wir einen Marathon aus dem Stand und ohne Training laufen. Oder ohne fundiertes und langjähriges Studium am offenen Herzen operieren. Oder ohne es je gelernt zu haben von jetzt auf gleich eine neue Fremdsprache Muttersprachler-gleich sprechen.
Hm, wieviel sind denn aber 1%? Die gute Nachricht: das bestimmen Sie! 1% kann das Paar Socken sein, das jetzt täglich direkt in den Wäschekorb und nicht daneben wandert. Es kann der Schreibtisch sein, den Sie nun immer nach der Arbeit so aufräumen, dass Sie die Farbe der Tischplatte wieder erkennen können. Vielleicht ist es auch diese eine Yogaübung, die Sie jetzt täglich machen, denn 1 Yogaübung jeden Tag ist 1% mehr als keine. Es kann ein neues Wort einer Fremdsprache sein, das Sie pro Tag lernen. Dann können Sie am Ende des Jahres mindestens 365 neue Wörter Suaheli, Hindi oder Portugiesisch.
Sie müssen sich nicht damit stressen, sich vorzunehmen jeden Tag 1 Stunde Joggen zu gehen; jede Woche die komplette Wohnung zu putzen; einmal pro Stunde Wechselatmung zu üben. 1%. Fertig.
Geben Sie sich Zeit. Nehmen Sie sich Ruhe.
Und was ist mit Prokrastination? Motivation? Um mit Professor Bömmel aus der ‚Feuerzangenbowle‘ zu sprechen: „Dat kriejenwer später.“
Bleiben Sie dran,
Ihre Susanne Mays
Januar 2023
[1] Statista GmbH; de.statista.com
[2] Clear, James „Die 1% Methode“ Goldmann-Verlag München, 2020; Kindle Version
[3] Drosophila = Frucht- oder Obstfliege
[4] Interessant ist, dass die Rechtschreib-Überprüfung den Begriff Superman nicht, den Begriff Superwoman aber sehr wohl rot unterringelt hat. Stay tuned, das ist definitiv einen eigenen Blogbeitrag wert!